Der Denali NPist unsere letzte Station in Alaska, ehe wir unseren Truck Camper Twain wieder abgeben müssen. Drei Nächte sind das Minimum, um auf dem Teklanika Campground innerhalb des Parks bleiben zu dürfen. Die Plätze sind heiss begehrt und wir mussten unsere Planung im Vorfeld schon ziemlich an die Verfügbarkeit der Stellplätze anpassen. Die drei Tage sollten doch so einige Eindrücke hinterlassen. Ganz sicher einen letzten, bleibenden der Wildnis in Alaska.

The Last Frontier

Wir fahren also den George Parks Highway entlang und biegen ab in den Denali NP. Als erstes erwartet uns der Visitor Center Campus (sonst war’s immer ein Center. Hier ein Campus…). Wir müssen unsere Voucher in was Gültiges umwandeln und haben darum keine andere Wahl, als hier Halt zu machen. Der Campus ist überfüllt mit Leuten und Bussen. Der letzte Stopp vor der grossen Wildnis. „The Last Frontier“ ist der Slogan von Alaska. Hier soll man ihn scheinbar auch spüren. Hat man wirklich alles, um zu überleben? Wie wild darf’s denn sein? Von Bustouren bis wild zelten im zugewiesenen Perimeter ist so die Spannweite. Wir belassen es bei den Bustour Tickets und dem Campground Permit, kaufen noch etwas Schwarztee (einzige Teesorte hier) gegen das potenzielle erfrieren und fahren in den Park hinein. Glücklicherweise lichten sich hier die Reihen der Camper und Autos markant und die Landschaft wird von Meile zu Meile schöner. Ab Meile 15 hat man nur noch ab und an Busse zu kreuzen, da hier keiner ohne Übernachtungs-Permit vorbei kommt. Wir stellen unser Fahrzeug auf den Platz 6 des Teklanika Campgrounds und erkunden die Umgebung. Der Campground liegt direkt am Teklanika River, der sich einen Weg durch das breite Flussbett sucht. Uns gefällt’s hier sofort, es ist sehr ruhig (ausser während den „Generator Hours“, wo die Camper ihre Stromgeneratoren laufen lassen dürfen) und einsam. Es gibt keine Hiking Trails hier, nur wilde Pfade. Bald schon sehen wir aus der Ferne den ersten Bären. Als wir dann so verträumt am Abend noch den Sonnenuntergang beobachten, trabt keine 15m von uns weg plötzlich ein Moose mit ihrem Jungen vorbei. Nach dem ersten Schrecken sind wir dann hin und weg ab der Eleganz und der fliessenden Bewegung dieser wunderschönen Tiere. Die Fotos sind zwar etwas verwackelt, aber was soll’s. Das Erlebnis ist grossartig.

Bustour

Tags drauf wartet unsere vorgebuchte Bustour. Sie soll uns in 4h sozusagen zum Ende der Strasse bzw zum Wonder Lake bringen. Dort hat man beste Aussicht auf den Denali (Mount McKinley), den Berg, nach dem der Park benannt ist. Gemäss verschiedenen Quellen sehen aber nur etwa 30, 18, oder 6% den Berg wirklich, da er meist von Wolken umhüllt ist. Das Wetter ist bedeckt, heisst unsere Chancen sind entsprechend schlecht.

Wir steigen am Morgen mit einem etwas mulmigen Gefühl in diesen Bus – wir haben im Vorfeld ein paar doch etwas bedenkliche Kommentare zu diesen Touren gelesen. Lohnt sich die 8-stündige Busfahrt wirklich? Wir setzen uns auf zwei noch freie Plätze, der Bus ist schon sehr voll.

Tanja S. (Name ist verfälscht. Nur so.), die Buschauffeurin, lässt zumindest schon mal keinen Zweifel aufkommen, wie der Tonfall der Fahrt sein wird: „I’m running a tight ship here“ meint sie. Die Toilettenpause ist auf genau 7min beschränkt, der Bus wartet nicht. Also schnell pinkeln, Leute. Entsprechend bricht auch Hektik aus, sobald der Bus hält. Nach 7min sind auch tatsächlich alle wieder da. Die Ansprache hat scheinbar Eindruck hinterlassen.

Der Bär

Wir fahren also in gutem Tempo über die holprige Piste und geniessen die tolle Aussicht. Tanja erzählt viel vom Park und so, als plötzlich jemand „Bear, Bear!“ schreit. Was jetzt passiert ist nix für unsere auf easy und gemütlich getrimmten (und noch ziemlich müden) Geister. Tanja reisst eine Vollbremsung, die uns von den Sitzen hebt. Alle springen auf und quetschen sich an die eine Fensterfront. Ein Wunder, dass der Bus nicht kippt. Ich sehe erstmal gar nix und bin etwas überfordert von den Leuten und Kameras, die sich da so über mich beugen. Ich muss mich schon ziemlich verbiegen, um überhaupt aus dem Fenster zu sehen. Nach langem erklären sehe ich den Bär, vielleicht 100, 200m weg im Gebüsch. Eigentlich toll, mal wieder einen Bär zu sehen, aber eben. Aussteigen darf man nicht, was ich in Anbetracht der aufgebrachten Meute dem Tier zu liebe nachvollziehen kann. Wir bleiben nicht lange, auch nach Protesten der Passagiere nicht: es gibt wichtigeres im Park als Bären, das merken wir bald, und das sind Wölfe.

Der Wolf

Der Bus reisst mal wieder eine Vollbremsung. Tanja hat die Wölfe gesichtet und beschreibt, wo sie sind. Niemand im Bus hat einen Plan, keiner sieht was. Ratlosigkeit breitet sich aus bis plötzlich klar wird: Sie meint die 3 winzigen, kaum zu erkennenden weissen Flecken auf einer grünen Kuppe vielleicht 2-3km Weg von der Strasse. Sind das Wölfe? Ich weiss es nicht, da ich es von blossem Auge beim besten Willen nicht erkennen kann. 40fach Zoom plus Digitalzoom lassen dann ganz grob verpixelt die Vermutung zu, dass es doch Wölfe sein könnten. Wir bleiben hier ziemlich lange stehen, obschon man nun wirklich nix sieht. Die Wölfe liegen und bewegen sich nicht. Immerhin kriegen wir danach eine Erklärung, wieso die Wölfe so wichtig für den Park sind. Sie regulieren die Wildpopulation und machen durch das Aussortieren der schwachen und kranken Tiere die Karibu Herde stärker.

Karibou, Moose, Adler, …

Wir sehen noch etliche weiter Tiere. Karibus, Moose, Dall Schafe und Adler. Das Prozedere im Bus bleibt jeweils das gleiche. Doch irgendwann, so nach 3h Busfahrt fallen uns einfach die Augen zu. Schliesslich wartet ja da noch der Wonder Lake und Denali himself.

Der Berg ist selbstverständlich nicht sichtbar. Ich scherze, den gebe es gar nicht, das sei alles nur eine Geschichte, um Touristen her zu locken. Denn der Wonder Lake heisst zwar schön, ist aber halt auch nur ein See, nicht mal ein allzu grosser. Wir essen unsere Sandwiches und begeben uns zum bereits prall gefüllten Bus zurück, um die 4h Rückfahrt anzutreten.

Die Bustour hat uns nur mässig begeistert, vor allem der irgendwie amerikanisch wirkende Stil passte uns nicht so wirklich. Blendet man das mal aus, so sieht man tolle Landschaften wie die Polychrome Mountains, etliche Flüsse und Gletscher und viele Tiere. Den Wonder Lake kann man sich an einem Tag ohne Chancen auf Sichtung des Mt McKinley getrost sparen und die Zeit für Wandern im Park verwenden.

Hiking

Wir haben noch einen weiteren Tag Denali, und den wollen wir zum Hiken nutzen. Der Ranger im Visitor Campus hat uns angewiesen, dass wir nur gegen Süden hiken dürfen, vorzugsweise dem Fluss entlang oder darin, im Flussbett. Gen Norden habe es einen Wolf, da dürften wir nicht hin. Wollen wir auch nicht, Bären sind das eine, aber Wölfe?

Wir gehen los mit der Überzeugung, im Flussbett einen Weg zu finden. Nasse Füsse zu kriegen sei normal, also sind wir gewappnet. Allerdings kehren wir bald um und holen noch rasch die Flip-Flops, um durch den Fluss zu waten. Das Queren des Flusses stellt sich aber als schwieriger als erwartet raus. Zu tief, oder zu breit und vorallem eiskalt. Wir brechen das vorhaben ab und entschliessen uns, halt im Gebüsch neben dem Fluss zu wandern. Wie gesagt, es gibt keine gemachten Wanderwege hier, bloss ein mehr oder weniger ausgetretener Pfad. Wir klettern, rutschen und kämpfen uns durch Büsche, um eine Flussbiegung zu umgehen und finden uns dann auf einer Sandbank am Rande des Flusses wieder. Wir sind mutterseelen allein. Kein Mensch, keine Strasse und kaum der Einstieg zurück in den gekommenen Weg ist zu sehen. Hier ist richtig Wildnis, du bist wirklich auf dich allein gestellt. Wir geniessen den Moment und fühlen uns gleichzeitig ziemlich klein.

Als wir dann später der Strasse entlang wandern und auf stehende Busse treffen („Bear, Bear!“) sehen wir die Passagiere mit ihren Fotoapparaten und Feldstechern an den Fenstern kleben. Wir erinnern uns an unsere Bustour, grinsen, gehen vorbei (und haben dabei sicher dem einen oder anderen sein Ferienvideo ruiniert) und geniessen den Anblick des Bärs ohne Hektik und versperrte Fenster so lange wir wollen. Das fühlt sich schon wesentlich besser an.

Alaska byebye

Als wir ein letztes Mal zum Teklanika River gehen, beschleicht uns schon etwas Wehmut: das war’s von Alaska. Die letzten anderthalb Tage stehen im Zeichen, den Camper rechtzeitig in Anchorage abzugeben. Werden wir jemals hierher zurückkommen? Ich weiss es nicht. Aber sollten wir es tun, werden wir wohl die Denali-Bustour auslassen.