Von der Kenai Peninsula fahren wir nun wieder weg. Wir kämpfen uns durch den Feierabendverkehr von Anchorage und die zwischenzeitlichen, sintflutartigen Regengüsse und bis Palmer und fahren Tags drauf bis Valdez. Wir unterbrechen die Fahrt, um eine frühere Goldmine, die „Independence Mine“ in der Nähe des Hatcher Pass, zu besuchen.

Obschon ziemlich alles zerfallen ist und man teilweise nur noch erahnen kann, wo und wohin da Kabel für Air-Trams gespannt waren, ist die Location hoch oben in den Bergen faszinierend. Die Vorstellung, hier bei widrigsten Bedingungen im Winter nach Gold zu schürfen, ist schon eher übel. Und immer wieder sieht man, was der Mensch gewillt ist zu tun, wenn’s um Geld bzw. Gold geht. Unglaublich was hier in und an den Berg gebaut wurde. Es gab such noch Seilbahnen…

Die Fahrt nach Valdez ist ab Glennallen von zwei Dingen geprägt: Tolle Aussicht auf die Berge und die Pipeline (Trans-Alaska-Pipeline, 1287km endet in Valdez) . Wir tuckern bis knapp vor den Thomson Pass, wo wir bei einer kleinen Wanderung bis zu einem kleinen Gletscher hochklettern.

Auf der anderen Seite geht’s dann runter nach Valdez. Bei diesem Namen klingelt’s vielleicht bei einigen, tendenziell eher älteren Semesters so wie ich, ganz entfernt: Da war doch mal was mit Tanker und so, was mit diesem Namen zusammenhängt. Die Exxon Valdez war 1989 Mit ihrer Havarie Schuld an der vielleicht grössten Ölkatastrophe überhaupt. Sie verschmutzte mit 37000 Tonnen den Prince Williams Sound. Die Auswirkungen seien noch jetzt zu sehen und teils irreparabel (wen’sinteressiert: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Exxon_Valdez). Die Lehren haben sie daraus gezogen: Es wurde ein Gesetz erlassen, welches es so grossen Ölschiffen, die mehr als 4000 Tonnen Öl verloren haben, verbietet, in diesen Gewässern zu kreuzen. Damit kommen immerhin keine Schiffe mehr rein, die mal schon irgendwo leck geschlagen sind. Das Ganze hat aber doch irgendwie einen etwas ironischen Beigeschmack, wenn man bedenkt, dass genau hier nach wie vor die Hauptpipeline von Alaska endet und damit wohl weiterhin hauptsächlich Öl durch den Sound rumkutschiert wird.

Kiloweise Fischfilet

Das zweite Gut, welches hier insbesondere im Sommer fleissig verschifft wird, sind Fischer. Wie wir rausgefunden haben gibt es Wettbewerbe (meist „mehr/grösser ist besser“) und Heilbutt (Hailbut auf Englisch) sind sehr populär. Wir finden auch bald raus, wieso. Als wir am Abend noch so durch die Hafenanlage schlendern, weckt ein spontaner Menschenauflauf unser Interesse (klassischer „da gibt’s was gratis“ oder „Lemming“-Effekt). Wir haben nix gescheiteres zu tun und schlendern auch hin. Wir treffen auf eine Bootscrew, die ihre Ausbeute des zweitägigen Fischausflugs zeigt: kiloweise Fisch. Die grossen Heilbutt aufgehängt, die kleineren auf einem Haufen.

Mich beschleicht eine Kombination aus Neugierde und Ekel. Die Neugierde gewinnt. Wir schiessen Fotos und beobachten danach die gemieteten Fachkräfte beim Verarbeiten der Fische. Der eine zerlegt in unglaublicher Geschwindigkeit Heilbutte, der andere was sonst noch so rumliegt: Lachse, Rote und Schwarze Barsche. Die orange-roten werden bis zu 120 Jahre alt, meint der eine und schätzt das alter der gefangenen auf ca 70 Jahre. Ich kann’s nicht so recht glauben, doch das Internet gibt ihm recht. Insgeheim frage ich mich, ob man solche Fische wirklich fangen sollte, eine Überfischung hätte da wohl über Jahrzehnte oder Jahrhunderte Konsequenzen. Doch Alaska scheint relativ gute Reglemente zu haben, was das Fischen in diesen Sounds anbelangt. Hoffen wir, sie wissen, was sie tun.

Valdez und das Erdbeben

1964 wurde Valdez von einem Erdbeben der Stärke >9 erschüttert. Vieles lag danach in Trümmern, das ganze Dock war weg. Zudem sank der ganze Untergrund und die Stadt wurde nun immer wieder von Gezeiten überflutet. Man entschloss sich, die Stadt zu verschieben: sie wurde 4 Meilen weg – dort wo sie heute noch steht – neu aufgebaut. Scheinbar gab es Leute, die ihr ganzes Haus auf einen Lastwagen luden und am neuen Ort wieder hinsetzten. Old Valdez, das Valdez der Pioniere und Goldgräber, ist heute wieder Wildnis. Bemerkenswert an der ganzen Geschichte finde ich, dass man die Stadt nicht aufgegeben hat. Es gab zu dieser Zeit nicht viel in Valdez (es gibt auch heute nebst der Ölindustrie wohl nicht viel zu tun hier im Winter… ) und es wäre sehr einfach gewesen, hier einfach den Stecker zu ziehen. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Karfreitagsbeben_1964

…und dann taucht plötzlich die Schweiz auf

Ich traue meinen Augen nicht, als am Eingang vom Museum eine Flagge mit so einer Art Schellenursli drauf hängt mit dem Spruch „Valdez – the Switzerland of Alaska“ (ein Bus hat es umgekehrt: „Switzerland – the Valdez of Europe“). Ein Blatt im Beilageordner erklärt den Umstand noch etwas näher. Ziemlich verwundert nehme ich zur Kenntnis, dass hier scheinbar die Schweiz erstens überhaupt wahrgenommen wurde (was erwiesenermassen nicht bei allen Amis der Fall ist. Wir hatten da schon einige amüsante Unterhaltungen zu Klima, Sprache und Temperatur) und scheinbar eine Vorbildfunktion hatte. Selbstverständlich gilt der Werbespruch heute nicht mehr, die Leute sahen zu wenig Zusammenhang. Schöne Landschaft, Berge, Schnee, alles gut, aber der Vergleich von Meeranschluss vs Binnenland war dann doch des Guten zu viel. Schellenursli (nur ich nenne ihn so. Weil ich nicht weiss, wie sonst) ziert also nicht mehr die Werbebanner von Valdez.

Eine Cruise, welche Silvia ohne mich besucht, sowie einen fettigen Burger später verlassen wir das doch eher kühle Valdez: Das Wetter ist zwar gut, das Quecksilber steigt dennoch nicht über 13°C. Im Norden soll’s wärmer sein und das wollen wir ausnützen. Dass wir uns schon bald eine Klimaanlage im Camper wünschen, wissen wir hier noch nicht: in Dawson City erwarten uns sage und schreibe 30°C – und es soll noch wärmer werden. Doch ich greife wieder viel zu weit voraus. Denn ehe wir dort eintreffen, müssen wir nicht weniger als den „Top of the World Highway“ befahren.