In Brooks Camp, Katmai NP dreht sich alles um den Bär. Den Braunbär oder Grizzly um genau zu sein. Schwarzbären habe es hier keine, meint der Ranger. Und die Regel ist eigentlich simpel: der Bär hat immer Vortritt, der Mensch muss weichen. Abstand ist immer 50yd, bzw 100yd bei einer Mutter mit jungen. In Brooks Camp gibt es drei Plattformen, um die Bären näher zu betrachten, dort sind die Bären ausgesperrt oder die Menschen eingesperrt, je nach dem. Die populärste Plattform ist bei den Brooks Falls, dort wo all die Fotos mit den hüpfenden Lachsen und aufgerissenen Bärenschlunden gemacht werden. Um dahin zu gelangen, muss man über eine bewachte Brücke und ca 1.3 Meilen durch den Wald. Hier ist wie gesagt nix eingezäunt oder so, sondern es ist klassische freie Wildbahn. Wir entschliessen uns nach dem Aufstellen unseres Zeltes, diesen Weg mal zu testen. Da wir doch etwas Respekt haben, schliessen wir uns mit einem jungen spanischen Pärchen zusammen, welches auch etwas Schiss hat, und gehen los.

Bear Jam – Stau an der Brücke

Wir kommen nicht weit. Der omnipräsente Bärenkot auf dem Weg lässt keinen Zweifel: Bären nutzen diesen Weg rege (was sie auch tun. Sie verwenden die Wege, weil es einfach viel bequemer ist als durch den Wald. Kein Scherz). Bei der Brücke ist dann Schluss. Der Ranger meint, es habe da Bären in der Nähe, wenn die noch näher kommen, müssten wir weichen. Dies passiert ein paar Minuten später und wir gehen 50m zurück. Wir warten, bis der Bär durch ist und gehen wieder nach vorne. Das Spiel wiederholt sich, diesmal kommen von zwei Seiten Bären im Laufschritt und wir weichen etwas schneller als vorher in den Wald aus. Sie bleiben dann näher als 50yd vor der Brücke liegen, was bedeutet, dass die Brücke geschlossen bleibt. Irgendwann geben wir auf und gehen zurück in die Lodge. Zuerst essen, dann wieder probieren.

Brooks Falls

Nach einem teuren aber guten Essen machen wir uns wieder auf den Weg. Die Zeit drängt, die Plattformen sind nur bis 10pm offen (damit auch die menschenscheuen Bären eine Chance auf das Fischen im Fluss haben). Dunkel wird’s hier zum Glück ja eh nicht wirklich, daher müssen wir auch den Weg nicht ohne Sonnenlicht begehen. Diesmal schaffen wir alles ohne Bärenkollision und wir schreiten auf die Plattform mit Sicht auf die Brooks Falls. Das Bild, dass sich uns bietet, ist kaum zu beschreiben. Ich habe ja schon gedacht, dass wir da so drei, vier Bären sehen werden. Aber dass hier einfach mal so knapp zwanzig Stück um diesen Wasserfall rumhängen und jagen, dass hätte ich nicht gedacht (Tags drauf waren es noch mehr, weit über zwanzig sichtbar im Fluss). Völlig perplex und überwältigt staunen wir die Bären an. Die oben an den Fällen warten nur darauf, dass ein Lachs sozusagen in ihre Fänge springt. Die Bären unten am Fluss jagen, was sich unterhalb so tummelt. Weiter unten die etwas kleineren Bären, die manchmal Überreste auffangen, manchmal selbst jagen. Es gibt Rangkämpfe für die guten Plätze und wenn ein stärkerer Bär aufkreuzt wird sofort Platz gemacht. Man sieht es an den Narben der älteren Bären, dass hier durchaus ernst gemacht wird. Wir packen unsere Kameras und knipsen drauflos.

Hey Bear

Auf dem Rückweg sind wir uns schnell einig: Das hier ist was ganz spezielles und einmaliges. Den Bären beim Jagen zuzuschauen ist vielleicht aus sicht der Lachse doch etwas brutal, aber so funktioniert nun halt mal das Ökosystem. Am nächsten Morgen gehen wir gleich nach dem Frühstück wieder los. Wir „verbünden“ uns unterwegs wieder mit einem Pärchen, diesmal ein älteres Ehepaar aus Australien. Wir schwatzen, fragen und erzählen etwas von den Reiseerlebnisen, als wir um eine unübersichtliche Ecke kommen und plötzlich direkt vor uns ein Bär auftaucht. Der Abstand beträgt keine 10m und er trottet in uns entgegen. Leicht panisch rufen wir uns in Erinnerung, was wir so gelernt haben: Nicht in die Augen schauen. Nicht den Rücken zudrehen. Nicht weglaufen. Mit dem Bär sprechen. Langsam zurückziehen in den Wald. Dem Bär Platz geben. Wir machens wohl nicht allzu schlecht, denn der Bär ignoriert uns komplett und trottet an uns vorbei. Irgendwie sind wir uns grad sehr bewusst, dass wir hier nicht das oberste Lebewesen in der Nahrungskette sind. Dies ist das Reich der Bären, nicht der Menschen.

Bärenmama

Der dritte Besuch an den Falls bietet uns nochmals was neues. Die Faszination ist sowieso unendlich, wir vergessen jedesmal komplett die Zeit. Diesmal kommt eine Bärenmutter mit ihren zwei Jungen den Fluss aufwärts zum Wasserfall. Das ist bemerkenswert, denn für die jungen Bären ist dies gefährlich. Bärenmännchen sind eine Gefahr für die jungen, es kommt vor, dass sie die kleinen Bären töten. Die Bärenmutter hat also ziemlichen Stress. Sie muss einerseits für sich und zwei Junge jagen und zudem aufpassen, dass keines zu Schaden kommt. Sie tut dies alles gleich direkt unter der Plattform, vielleicht zehn Meter von uns weg. Ein weiteres faszinierendes Schauspiel. So effizient wie die Bärenmutter jagt kein anderer Bär an den Fällen. Ob all dem Schauspiel vergessen wir den Regen und die Kälte. Immer wieder müssen wir uns klarmachen: Auch wenn die Bären an den Brooks Falls an die Menschen gewohnt sind, so ist dies die Wildnis. Kein Zoo, keine Fütterung durch Menschen. Das hier ist echt. Beeindruckend.

Ob all den Bären geht fast vergessen, dass hier noch andere Tiere zuhause sind. Bei den Fällen sehen wir Adler, die immer mal wieder einen Fisch stibitzen. Es hat viele Möwen, welche die Innereien (die nicht alle Bären mögen) und andere Überbleibsel der Lachse vertilgen. Und auf dem Weg zwischen Lodge und Zelt begegnen wir ganz unverhofft einem Stachelschwein, welches einem Baum die Blätter abfrisst.

Brooks Falls – lohnt sich das?

Ob wir Brooks Falls besuchen wollen oder nicht, war für uns eine schwierige Entscheidung. Lohnt es sich, soviel auszugeben für die paar Tage? Ist es nicht einfach alles viel zu teuer, ist es nicht einfach Abzocke? Wenn man den Aufwand für das Abenteuer so anschaut, ist es das wahrscheinlich doch nicht: Wir benötigen zwei Flüge für dorthin zu kommen, zwei zurück. Das Essen (welches man teuer bezahlt) muss auch mit Flugzeugen dorthin gebracht werden. Die Infrastruktur ist 1a, die Organisation mit den immer hilfsbereiten Rangers auch. Und das Erlebnis ist einmalig. Das meint auch ein Bärenfotograf, der Brooks Camp zwanzig Jahre gemieden hat und es nun bereut. Wir finden, es hat unsere Reise unendlich bereichert und dürfte ein ganz grosses Highlight all unserer Reisen bleiben.