Mit noch schläfrigen Augen, gestärkt mit einer Tasse Kaffee und einem Stück Mango im Magen fahren wir in die nächste Ortschaft und halten vor einem Fabrikgelände. Wie jede Fabrik hier ist sie umzäunt und mit einem Eingangstor versehen. Unser Guide erklärt uns, dass es sich hier um eine Textilfabrik handelt und dass bald schon die Arbeiterinnen ankommen werden. Wir müssen draussen bleiben und dürfen entsprechend auch nur draussen fotografieren. Reingehen ist strikte untersagt, die Anlage wird bewacht. Ich will gar nicht so genau wissen, was da drin vor sich geht.

Bald schon kommen die ersten Lastwagen an – und es folgen noch viele, viele mehr. Die Lastwagen haben eine Ladefläche, auf welcher die Frauen (es sind nur sehr vereinzelt Männer dabei) zusammengepfercht Schulter an Schulter. Bei uns wäre so kaum ein Viehtransport erlaubt – umfallen kann da sicher niemand. Wer in dieser Fabrik arbeitet steigt ab, dann fährt der Laster wieder weg. Wir stehen da (auffällig wie bunte Hunde selbstverständlich) und beobachten das Ganze mit zunehmendem Unwohlsein. Das ganze wirkt für uns surreal und bedrückend.

Wir fragen, was denn diese Frauen verdienen. Der Mindestlohn sei 153 Dollar pro Monat. 10 Dollar davon gehen weg für den Transport. Wer etwas mehr kann, z.B. Maschinen bedienen oder mit Chemikalien umgehen, verdient vielleicht 200-250. Ich versuche schon gar nicht, das in eine Relation zu den Kosten unserer Reise zu setzen. Klar reicht ein Dollar in Kambodscha ungleich weiter als anderswo. Aber dies ist selbst hier gelinde gesagt mager. Wir fragen weiter: Was sind es denn für Kleider, die in diesem Fabriken produziert werden? Wer nun denkt, dass hier nur die Billigware hergestellt wird, irrt. In diesen Fabriken lassen auch die grossen Marken ihre Kleider nähen und verkaufen sie dann für Preise, die dann auch wir als teuer empfinden. Wir kriegen noch weitere Fakten mitgeteilt: In einer solchen Fabrik arbeiten ca 3000 Frauen, 2x 4h am Tag. Mit Pause am Mittag. Immerhin. Pro Tag fallen aus verschiedenen Gründen (Dämpfe z.B) ca. 20-30 in Ohnmacht. Sie werden ersetzt durch Frauen, die vor dem Tor warten. Um 7h wird das Tor geschlossen. Wer zu spät kommt wird bestraft oder geht ganz ohne Lohn wieder nach Hause. Der erarbeitete Mehrwert bleibt übrigens nicht im Land: fast alle Fabriken gehören chinesischen Firmen, die dann sogar das Label „Made in China“ auf das Produkt setzen. Im Klartext heisst das, dass hier die Drecksarbeit für einen Hungerlohn gemacht wird – die Gewinne des Zwischenhandels fliessen dann aber nicht in das eigene Land und die Akkreditierung wird ihnen auch noch aberkannt. Ich glaube, mir wird langsam etwas schlecht.

Wir schauen dem Treiben der Lastwagen und dem schier unendlich scheinenden Strom an Arbeiterinnen noch etwas zu. Wir sind in dem Szenario nichts als gaffende, dumme Touristen. Und trotz all dem gibt es in der schier unendlichen Menschenmasse nicht wenige glückliche Gesichter. Viele lächeln uns zu, wenn sie uns sehen und winken sogar. Wie skuril ist denn das! Ich komme mir inzwischen nun so richtig blöd vor und verstecke mich etwas hinter einer Frau, die am Rand irgendwelche Esswaren verkauft. Eine der hineingehenden Frauen trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „I think it’s ok to be confident“ – ob sie wohl weiss, was sie da für eine Message mit sich trägt?

Was wir da erlebt haben, beschäftigt uns und wir diskutieren einige Male: Wie kann man das verbessern? Wie kann man sich verhalten, um da entgegenzuwirken? Hilft es, auf Labels zu schauen? Vielleicht. Noch wichtiger scheint mir, dass die Leute, zumindest die nächsten Generationen, Bildung kriegen. Dass sie lesen und schreiben lernen und damit vielleicht einmal eine Chance haben, ihre Situation zu verbessern. Denn in diesem Land klemmt es an allen Ecken und Enden. Umso mehr ist nach dieser doch etwas bedrückenden Szenerie der Besuch einer Schule ein positives Erlebnis. Auch hier ist bei Weitem nicht alles in bester Ordnung, aber hier lernen Kinder lesen und schreiben. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, in Kambodscha noch lange nicht.

Wer das NGO „Smiling Gecko“ unterstützen möchte, findet alle Notwendigen Angaben unter: http://www.smilinggecko.ch/spenden/